Wissenschaftliche Aufarbeitung von sexualisierter, körperlicher und psychischer Gewalt in der Waldorfschule Überlingen
Thema
Vorgehen
Im Mai 2023 fand auf Einladung der Waldorfschule Überlingen ein Treffen mit Vertreter*innen der Leitungsgremien und einer Gruppe ehemaliger Schülerinnen und Schüler statt, deren Schulzeit 1990 begann. In einem ersten Austausch über die damaligen Erlebnisse verdichtete sich die Erkenntnis, dass die Kinder der damaligen ersten bis vierten Jahrgangsstufe einer Lehrkraft ausgesetzt waren, deren Verhaltensrepertoire sowohl psychische als auch körperliche und sexualisierte Gewalt beinhaltete. Vor diesem Hintergrund wurde das IPP vom Trägerverein der Waldorfschule Überlingen – unter aktiver Beteiligung Betroffener – mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der im Raum stehenden Vorfälle beauftragt. Folgende Fragestellungen stehen im Zentrum der Untersuchung: Art und Ausmaß der Gewalt; Folgen für die Betroffenen; Aufdeckungsversuche; Reaktionen der Schulverantwortlichen; Rolle der Eltern; Schlussfolgerungen für die Prävention. Übergeordnete Ziele bestehen nicht nur in einer gut fundierten Rekonstruktion der Ereignisse, sondern in einer Klärung von Verantwortlichkeiten und der Frage, weshalb diese Lehrkraft über viele Jahre ihre gewaltförmige Pädagogik an dieser Schule praktizieren konnte. Das empirische Vorgehen zielt auf eine multiperspektivische Rekonstruktion des historischen Geschehens ab. Zentral sind hierbei problemzentrierte, leitfadengestützte Interviews mit den folgenden drei Personengruppen: (1) ehemalige Schülerinnen und Schüler aus der betroffenen Klasse; (2) aktuelle und ehemalige Lehrkräfte und Leitungsverantwortliche der Waldorfschule Überlingen; (3) Eltern ehemaliger Schülerinnen und Schüler der Waldorfschule Überlingen. Zudem werden Akten analysiert, die über den Umgang der Schule mit der gewaltausübenden Lehrkraft Auskunft geben. Durch dieses empirische Verfahren wird eine Integration individuums-, institutions- und gesellschaftsbezogener Relevanzebenen angestrebt. Dadurch soll auch die Frage nach spezifischen Risikofaktoren des Systems „Waldorfschule“ beantwortet werden, deren Identifikation für die institutionelle Gewaltprävention von großer Bedeutung sein dürfte.
Eckdaten
Arbeitsschwerpunkt
Team
Helga Dill (Projektleitung), Dr. Peter Caspari (Projektleitung), Sabine Wallner, Franziska Behringer, Dr. Florian Straus, Kathrin Weinhandl
Auftraggeber
Gemeinnützige Genossenschaft zur Förderung der Waldorfpädagogik am Bodensee eG
Laufzeit
August 2024 – Juli 2025